Recht
auf Arbeit für Kinder?!
„Ja
zur Arbeit, nein zur Ausbeutung!“ steht in großen
Buchstaben auf dem T-Shirt von Lisandro. Der 14jährige kommt
aus Peru und ist eines von ca. 30 Kindern und Jugendlichen aus
Afrika, Asien und Lateinamerika, die vom 18.4. bis zum 2.5. am
„Welttreffen arbeitender Kinder und Jugendlicher“
in Berlin teilgenommen haben.
Von
Elena Hungerland
Gewählt
von anderen arbeitenden Kindern aus ihrem Land repräsentieren
sie die Position ihrer selbst organisierten Gruppen. Ihre Hauptbotschaft
ist: Die Kinderarbeit darf nicht verboten oder abgeschafft werden,
aber die Lebens- und Arbeitsbedingungen müssen für Kinder
verbessert werden.
Die
arbeitenden Kinder sehen sich als Teil einer sozialen Bewegung,
die sich für eine gerechte und würdige Welt einsetzt.
Demnach wollen sie uneingeschränkten Einfluss auf Entscheidungsprozesse
haben, vor allem, wenn es um ihre eigene Lebensgestaltung geht.
Sie
halten nichts von den „aufgedrängten Maßnahmen“
zum Verbot und zur Abschaffung der Kinderarbeit , da diese nicht
helfen , sondern die Kinder noch rechtloser machen. Die Kinder
wurden durch das Verbot zu arbeiten teilweise gezwungen, in Beschäftigungen
auszuweichen, bei denen sie anschließend noch schlechter
behandelt wurden.
Wie
ein Delegierter aus Bangladesh während des Treffens auf einer
Pressekonferenz (am 29.4.04) erklärte, seien Mädchen
aufgrund des Arbeitsverbotes aus den Textilfabriken geholt worden.
Anschließend seien diese dann gezwungen gewesen, sich zu
prostituieren, da sie keine andere Möglichkeit hatten, Geld
zu verdienen. Die Verbote seien keinesfalls hilfreich in Anbetracht
der Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen aus Entwicklungsländern.
Der
größte Teil der Kinder muss arbeiten, um sich selbst
und ihre Familien ernähren zu können. Tambaké
aus Afrika erzählte, dass er seine Schulausbildung selber
finanziert, da seine Eltern keinen festen Job haben. Er selbst
habe Arbeit unter guten Bedingungen und er lerne viel und wachse
an seinen Aufgaben.
Dies
scheint ebenfalls ein wichtiges Anliegen zu sein, denn mehrere
Kinder versicherten, es mache ihnen großen Spaß, unter
guten Bedingungen zu arbeiten, da sie dabei viel lernten und ihre
Persönlichkeit entwickeln könnten.
Die
Grenze zwischen würdiger Arbeit und Ausbeutung sehen die
Kinder differenziert. Sie haben dazu Grundsätze formuliert,
die diese Vorstellungen beschreiben.
Manjula
aus Indien nannte dazu ein Beispiel: “Wenn ein Kind in einer
Bäckerei bei guter Bezahlung ca. 4 Stunden arbeitet, ist
dies eine sinnvolle und würdige Arbeit. Wenn das Kind aber
12 Stunden bei schlechter Bezahlung dort arbeitet und völlig
überfordert ist, dann ist dies Ausbeutung.“ Dazu sei
es nötig, die Kinder selbst zu befragen, statt pauschale
Verbote auszusprechen, denn die Kinder wüssten selbst am
besten, was ihnen zuzumuten sei und was ihnen schade.
Es
sei ein Verbrechen, wie Kinder oftmals bei ihrer Arbeit ausgebeutet
würden. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass
man Kinderarbeit insgesamt verbietet, sondern die Bedingungen
verbessern müsse, sagten die Delegierten übereinstimmend.
Um
dies durchzusetzen, organisieren sich die Kinder nun selbst und
kämpfen gemeinsam für ihre Rechte.
Auf
dem „Welttreffen der Bewegungen arbeitender Kinder und Jugendlicher“
trafen sich die Delegierten aus Afghanistan, Angola, Bangladesh,
Benin, Bolivien, Burkina Faso, Chile, Guatemala, Guinea (Conakry),
Guinea Bissau, Indien, Kolumbien, Mexiko, Mongolei, Nepal, Niger,
Paraguay, Peru, Ruanda, Senegal, Zimbabwe und Venezuela, um ihre
Erfahrungen auszutauschen, sich international zu vernetzen und
auch um ihre Anliegen an die Öffentlichkeit zu bringen.
Die
Organisationen in den einzelnen Ländern helfen den Kindern,
ihre Lebenssituationen zu verbessern. Die organisierten arbeitenden
Kinder sorgen dafür, dass sie gut arbeiten können, und
dass sie auch genug Zeit für eine Schulausbildung haben.
Die Elemente Arbeit, Ausbildung und Freizeit verbinden sie, indem
sie z.B. eigene kleine Unternehmen gründen. In diesen können
sie mit ihren Freunden selbst entscheiden, wann, wie und wie viel
sie arbeiten möchten und haben genug Zeit und das nötige
Geld, um in die Schule zu gehen.
„Arbeit
ist ein Lebensstil.“, sagt Lisandro selbstbewusst ins Mikrofon,
„Wir lungern nicht auf der Straße herum, klauen oder
prostituieren uns nicht. Wir verdienen würdevoll unser Geld
und lernen, Verantwortung zu übernehmen. Wir schätzen
den Wert der Dinge, die wir von dem Geld bekommen sehr, da wir
es uns selbst erarbeitet haben.“ Und dabei wirkt der 14jährige,
der sich sein Schulgeld durch die Arbeit in einer Bäckerei
selber finanziert, sehr überzeugend.
(Elena
Hungerland, in: "Sophies Welt" - Schülerzeitung
der Sophie-Charlotte-Oberschule, Ausgabe Mai)
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