"Wir
verlangen Respekt" - Arbeitende Kinder wünschen sich
mehr Verständnis für ihre Lebenssituation
Von
Ruth Pons
Berlin
(epd). "Ich finde es schrecklich, wenn Kinder in Fabriken
oder Bergwerken arbeiten müssen", sagt die 15-jährige
Katrin aus Berlin. "Sie haben dann ja überhaupt keine
Zeit zum Lesen oder Spielen." Jaqueline aus Chile, Tambaké
aus Guinea und Salahuddin aus Bangladesch sehen das ein bisschen
anders. "Es ist schwer, ganz ganz schwer", erzählt
zwar der 17-jährige Tambaké, der als Schweißer
in der Werkstatt seines Vaters in Westafrika arbeitet. "Aber
ohne Arbeit könnte ich meine Familie nicht unterstützen."
Die
15-jährige Jaqueline verkauft in Santiago Mützen und
Schals, "damit ich eigenes Geld verdienen und Bücher
kaufen kann". Für den elternlosen Salahuddin, der in
Dhaka Müll sammelt, bedeutet Arbeit, "Selbstbewusstsein
zu entwickeln und Erfahrungen für das Leben als Erwachsener
zu sammeln".
Die
drei sind nach Berlin gekommen, um beim zweiten "Welttreffen"
von Initiativen arbeitender Kinder und Jugendlicher mit knapp
30 weiteren Delegierten aus Afrika, Asien und Lateinamerika ihre
Erfahrungen auszutauschen. Schätzungen der Internationalen
Arbeitsorganisation (ILO) zufolge arbeiten weltweit mehr als 350
Millionen Kinder.
Die
Jungen und Mädchen zwischen 14 und 18 Jahren sind strikt
gegen ein Verbot von Kinderarbeit. "Ja zur Arbeit. Nein zur
Ausbeutung" lautet vielmehr ihr Motto. Sie verlangen mehr
Verständnis für ihre Lebenssituation und Mitsprachemöglichkeiten.
"Wir wollen, dass unsere Arbeit weltweit anerkannt und unsere
Recht so gestärkt werden, wie wir es verdienen", sagt
Lisandro aus Peru. "Die Erwachsenen sollen arbeitende Kinder
nicht diskriminieren, sondern respektieren und unterstützen",
wünscht sich Jaqueline.
Bei
ihrem 14-tägigen Treffen, das die Technische Universität
und das Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ) Wuhlheide seit Montag
in Berlin organisieren, geht es den Jugendlichen deshalb vor allem
darum, ihre Organisationen zu stärken und zu vernetzen. Seit
mehr als 25 Jahren schon gibt es in vielen Ländern Initiativen
von arbeitenden Kindern, die sich für ein Recht auf würdige
Arbeit ohne Ausbeutung einsetzen. "Wir sind nicht gegen die
Arbeit, aber gegen Armut und schlechte Arbeitsbedingungen",
sagt Tambaké, der später einmal eine eigene Werkstatt
aufmachen und selbst Kinder beschäftigen möchte.
"Besser
arbeiten, lernen und ausruhen können", so beschreibt
der 16-jährige Salahuddin seine Wünsche an die Zukunft.
Die Vereinbarkeit von Arbeit und Schule ist ein zentrales Anliegen
der Kinder. "Ich kann mit meinem Verdienst den Schulbesuch
meiner Schwestern ermöglichen", erzählt Tambaké.
"Das Wichtigste ist, dass wir lernen und studieren können,
um für eine bessere Zukunft zu kämpfen."
In
den nächsten Tagen werden die Delegierten mit Vertretern
von Kinderschutzorganisationen, Gewerkschaften, Parteien und Regierungsorganisationen
sprechen und ihnen ihre Sicht der Dinge erklären. Geplant
sind auch Treffen mit deutschen Jugendlichen und Schulklassen,
damit Mädchen wie Kathrin ihre arbeitenden Altersgenossen
in anderen Ländern nicht mehr nur als arme bemitleidenswerte
Opfer sehen.
(Ruth
Pons, in: epd, 19.4.2004)
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