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Bericht der Rundreise nach München (2. bis 5. Mai 2004)

Hintergrund der Einladung von Delegierten des 2. Weltkongresses der Bewegungen arbeitender Kinder und Jugendlicher nach München ist die Kampagne „München gegen ausbeuterische Kinderarbeit“, die inzwischen auch größere Aufmerksamkeit erfährt. Diese Kampagne erhielt am 5. Mai 2004 den Preis des bundesweiten Wettbewerbs „Global vernetzt, lokal aktiv 2004“ aus der Hand von Staatssekretärin Dr. Uschi Eid.

Der bolivianische Delegierte und seine Begleiter fordern: „Ein Recht der Kinder auf Arbeit in Würde“. Solche Aussagen führten in einer Hortgruppe zum ungläubigen Schauen, Widersprüchen und vielen Fragen: „Wie das? Große Organisationen wie UNICEF, die Welthungerhilfe, der 'Global March' fordern doch ein Verbot jeglicher Kinderarbeit und ihr wollt arbeiten?“ Darauf hatte der bolivianische Delegierte eine klare Antwort: „Vor dem Verbot von Kinderarbeit sollte es ein Verbot von Armut und Hunger geben!“

Nach kurzen Ausführungen über sein Leben, um den Unterschied zwischen akzeptabler Kinderarbeit und ausbeuterischer Kinderarbeit zu verdeutlichen, vertritt er eine klare Haltung zur internationalen Konvention 182: „Ich bin aber total gegen das, was wir ausbeuterische Kinderarbeit nennen. Das ist, wenn wie wir gehört haben, in Indien oder Pakistan Kinder zwangsweise eingesperrt und als Sklaven Teppiche knüpfen oder im Steinbruch arbeiten oder, wenn Kinder verkauft werden. Die Internationale Konvention 182 zur Abschaffung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit bezeichnet auch sexuelle Ausbeutung von Kindern und Benutzung im Bereich der Pornographie als Kinderarbeit. Das ist doch keine Arbeit, das ist ein Verbrechen an Kindern!“

Der zweite bolivianische Delegierte betonte: „Ich kenn mich doch, wenn ich nicht gearbeitet hätte, hätte ich klauen müssen. Dank meiner Arbeit konnte ich die Hautschule beenden, die Realschule machen und möchte jetzt für einen pädagogischen Beruf studieren.“

Der Begleiter aus Chile hielt sich wohlwollend zurück, antwortete nie für die zwei Delegierten, sondern brachte sich sachkundig ein, wenn er nach seiner Rolle und pädagogischen Konzepten erwachsener Begleiter der Bewegung arbeitender Kinder gefragt wurde.

Wichtige Erkenntnisse:

1) Die Delegierten aus Bolivien finden die Aktion „München gegen ausbeuterische Kinderarbeit“ gut und sie wird nicht kontraproduktiv zu ihren Forderungen gesehen; sie sind gegen psychische und physische Zerstörung und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen.

2) Wichtige konzeptionelle Hintergründe ihres Ansatzes
- Wichtig ist der „Protagonismus der Kinder“
- Wichtig ist, vor dem Verbot von Kinderarbeit ein Verbot von Armut zu fordern.

3) Warum arbeiten sie? Hier muss differenziert werden. Für die Kultur Lateinamerikas (und hier die andine Kultur) gehört Arbeit zum Leben, ist Teil der andinen Kultur. Sie arbeiten aus Liebe (zur Mutter und Unterstützung der Familie), aber auch zu Selbst-Realisierung durch eine „Arbeit in Würde“. Sie sagen, das würden auch Globalisierungsgegner wie attac fordern, Arbeit in Würde – und sie arbeiten, weil sie dabei etwas fürs Leben lernen. Arbeit ist nicht nur aus der Not heraus zu verstehen, sie wollen nicht als arme Opfer angesehen werden, sie ist Teil des Lebens. Unter einer „Arbeit in Würde“, einer „akzeptablen Arbeit“ wird verstanden: z.B. Vormittags (oder nachmittags) in die Schule, vorher oder nachher arbeiten, dann spielen und Zeit zum Hausaufgaben zu haben.

4) Verbrechen und Kinderarbeit? Die ILO-Konvention Nr. 182 zählt sexuelle Ausbeutung von Kindern und Pornographie zur Kinderarbeit. Sie sehen das als Verbrechen.

5) keine Verklärung der Kinderarbeit
Die Situation von arbeitenden Kindern aus der Straße ist unmenschlich: Viele Menschen behandeln dich als Abfall, als Müll, beschimpfen dich, die Polizei klaut dir die Sachen und das Geld: Wir wollen mehr Respekt und geachtet werden, denn wir unterstützen unsere Familien! Wir wollen kein Mitleid sondern Respekt. Wir haben uns in unseren Gruppen zusammengetan, um uns auch solidarisch zu helfen. Wir haben auch Verantwortung untereinander und für die Gesellschaft.

6) Die Bewegungen arbeitender Kinder hat eine andere Sicht von Kindheit:
Es ist nicht die westliche Zeit, wo Kinder „in Watte gepackt werden, bis man Erwachsener wird“, Kindheit ist keine Wartezeit, sondern aktive Zeit.
- Kinder sind Subjekte, soziale Akteure und nicht Objekte, über die man entscheidet
- Das pädagogische Verhältnis von Begleitern und Kindern soll horizontal sein, alle sind Mitwirkende für eine bessere Welt. Das hört sich so leicht an, ist aber sehr kompliziert und angesichts der harten Situation in Ländern wie Chile sehr schwierig. Erwachsene müssen Macht abgeben.

7) Warum sprechen sie sich gegen die Kampagne für die Abschaffung aller Kinderarbeit aus?
Unicef, ILO, etc. haben sicher gute Intentionen, aber haben nicht mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen dieses abgesprochen. Es besteht die Gefahr, dass so alles über einen Kamm geschert wird.
Die Regierungen haben zwar unterschrieben: Verbot der Kinderarbeit, aber die Ausbeutung findet in der globalisierten Welt trotzdem statt. Wirklich besser wäre es, das Geld dieser Kampagne in die Verbesserung der Lebenssituation von armen Kindern und Jugendlichen zu stecken, damit sie z.B. arbeiten und lernen können und nicht, wie immer noch viel zu lange, zu hart, brutal ausgebeutet arbeiten müssen.

(Heinz Schulze)

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