Ergebnisse
der Tagung
„Zweites Welttreffen der Bewegungen arbeitender Kinder und
Jugendlicher 2004 in Berlin, FEZ-Wuhlheide“
An der Tagung des Zweiten Welttreffens der Bewegungen arbeitenden
Kinder und Jugendlichen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas, das
vom 19. April bis 1. Mai in Berlin stattfand, nahmen Delegationen
aus folgenden Ländern teil: Afghanistan, Angola, Bangladesch,
Benin, Bolivien, Burkina Faso, Chile, Guatemala, Guinea (Conakry),
Guinea-Bissau, Indien, Kolumbien, Mexiko, Mongolei, Nepal, Niger,
Paraguay, Peru, Ruanda, Senegal, Simbabwe und Venezuela. Außerdem
waren als Gäste drei Jugendliche aus Russland anwesend. Berliner
Jugendliche begleiteten das Welttreffen mit einer in vier Sprachen
publizierten Zeitung. Das Welttreffen stand unter dem Motto: „Ja
zur Arbeit – Nein zur Ausbeutung. Wir sind nicht das Problem,
sondern Teil der Lösung.“
Mit
Deutschland als Veranstaltungsort erhofften sich die Bewegungen
weitest mögliche öffentliche Aufmerksamkeit für
ihre Ziele und Interessen zu finden und insbesondere Einfluss
nehmen zu können auf die europäische öffentliche
Meinung zur Kinderarbeit und der Lage und den Rechten der arbeitenden
Kinder des Südens.
Inhaltlich
war die Tagung so ausgerichtet, dass die Kinder und Jugendlichen
ihre wirtschaftliche, soziale und politische Situation analysieren,
gemeinsam einen Aktionsplan erarbeiten und sich als Weltbewegung
der arbeitenden Kinder und Jugendlichen (bis 18 Jahre) eine organisatorische
Struktur geben konnten. Am 1. Mai nahmen sie in Berlin mit eigenen
Transparenten an der gewerkschaftlichen Demonstration teil. Im
Anschluss an die Tagung reisten die Delegierten u. a. nach Dessau,
Dresden, Düsseldorf, Erfurt, Freiburg, Leipzig, München,
Osnabrück/Hannover und Rostock, um dort auf ihre Situation
aufmerksam zu machen und für ihre Ziele und Forderungen zu
werben.
Während
des Welttreffens kamen die Delegierten zu dem Schluss, dass sich
die Situation der Kinder in ihren Ländern weiter verschlechtert
hat und dass sie oft wie „sozialer Müll“ behandelt
werden. Die von den reichen Ländern sowie den multinationalen
Konzernen und Institutionen wie IWF (Internationale
Währungsfonds), WTO (World Trade Organisation)
und Weltbank forcierte Globalisierung hat für sie
fast nur Nachteile gebracht und sie mit mehr Gewalt und neuen
Formen der Ausbeutung konfrontiert. Die von der Internationalen
Arbeitsorganisation (ILO - International Labour Organisation)
ihren Ländern aufgedrängten Maßnahmen zum Verbot
und zur Abschaffung der Kinderarbeit haben den arbeitenden Kindern
nicht geholfen, sondern haben sie im Gegenteil weiter in die Rechtlosigkeit
getrieben. Viele sahen sich gezwungen, in Beschäftigungen
auszuweichen, bei denen sie noch schlechter behandelt und entlohnt
werden und der Willkür ausgeliefert sind.
Die
auf dem Welttreffen versammelten Kinder und Jugendlichen lehnen
die ILO-Konvention Nr. 138 über das Mindestalter
der Beschäftigung von Kindern ab und bestehen darauf, selbst
bestimmen zu können, wann, wo und wie sie arbeiten. Mit ihren
Organisationen kämpfen sie seit Jahren gegen alle Formen
der Ausbeutung: so wollen sie sich z. B. nicht vorschreiben lassen,
welche Arbeiten sie machen und welche sie lassen sollen. Sie bestehen
darauf, auch auf der Straße und anderen öffentlichen
Plätzen ihren Lebensunterhalt verdienen zu dürfen und
lehnen es ab, ihre Arbeit pauschal als eine der „schlimmsten
Formen der Kinderarbeit“ zu deklarieren und sich von der
Polizei oder privaten Sicherheitsdiensten schikanieren und vertreiben
zu lassen. Die Organisationen der arbeitenden Kinder und Jugendlichen
bekämpfen – möglichst auch gemeinsam mit der ILO
– jede Art von Kinderhandel, Kinderprostitution und die
Instrumentalisierung von Kindern für Kriege, Drogenhandel
oder Pornographie; darin sehen sie jedoch nicht – wie die
ILO-Konvention Nr. 182 suggeriert – Formen der
Kinderarbeit, sondern Verbrechen an Kindern.
Statt
Geld in Programme zur Abschaffung der Kinderarbeit zu stecken,
wird von den Regierungen der reichen Länder des Nordens gefordert,
endlich etwas gegen die Ausbeutung und Verschuldung der armen
Länder des Südens und gegen die ungerechte Verteilung
des Reichtums auf dem Globus zu unternehmen. Statt Kindern die
Arbeit wegzunehmen und sie auf Schulen zu verweisen, die für
ihr Leben nutzlos sind und in denen sie als arbeitende Kinder
benachteiligt sind und diskriminiert werden, fordern die Delegierten
des Welttreffens die Staaten der Welt auf, ihnen eine kostenlose
Bildung und Ausbildung zu ermöglichen, die lebensnah ist
und ihre Chancen in der Zukunft verbessert. Als arbeitende Kinder
verlangen sie Bildungseinrichtungen und -programme zu schaffen,
in denen der bildende Wert der Arbeit zur Geltung kommt und auf
ihre Situation Rücksicht genommen wird, in denen ihre Erfahrungen
ernst genommen und aufgegriffen werden.
Von
den Gewerkschaften und den Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs
- Non Governmental Organisations) erwarten die Delegierten,
dass sie ihre Organisationen als gleichberechtigte Partner anerkennen
und sie vorbehaltlos unterstützen. Insbesondere fordern sie
Unterstützung bei ihrem Kampf um menschenwürdige Arbeit
und bei der Realisierung eigener, von ihnen selbst bestimmter
Arbeitsprojekte und Kooperativen. Diese dienen nicht nur dem würdigen
Erwerb ihres Lebensunterhalts und der Selbstfinanzierung ihrer
Organisationen, sondern stellen auch eine Form solidarischer
Ökonomie dar, die den Keim für eine bessere Welt
enthält. Von den Organisationen des Fairen Handels erwarten
sie, dass sie die Arbeit von Kindern nicht länger pauschal
verdammen und boykottieren, sondern ihnen dabei helfen, die Produkte
aus ihren Arbeitsprojekten international bekannt zu machen und
zu verkaufen. Während der gesamten Zeit des Welttreffens
fand in einer Worker's Library eine Ausstellung dieser
Produkte statt.
Organisationen
arbeitender Kinder und Jugendlicher gibt es heute in mehr Ländern
denn je, in weiteren Ländern sind sie im Entstehen. In vielen
Ländern haben sie sich den Respekt von Regierungen, Nicht-Regierungsorganisationen
und in einigen Fällen auch von Gewerkschaften erworben. Manche
der von ihnen formulierten Rechte sind besser in die Realität
umgesetzt worden, bei anderen ist noch viel zu tun. Die bisher
schon erreichte internationale Vernetzung ihrer Organisationen
hat sich als vorteilhaft erwiesen und dazu beigetragen, dass die
Stimme der arbeitenden Kinder stärker beachtet wird.
Auf
der Tagung des Berliner Welttreffens wurde eine weltweite
Organisation der arbeitenden Kinder und Jugendlichen ins
Leben gerufen. Sie ist demokratisch aufgebaut und ermöglicht
den arbeitenden Kindern aller Kontinente – unter Berücksichtigung
ihrer kulturellen und sozialen Verschiedenheiten – eine
gleichberechtigte Teilnahme. Die Weltbewegung der arbeitenden
Kinder und Jugendlichen wird mit größerer Kraft
darauf hinwirken, in allen internationalen Organisationen in repräsentativer
Weise vertreten zu sein und zu erreichen, dass nichts, was die
arbeitenden Kinder betrifft, gegen ihren gemeinsamen und organisierten
Willen entschieden wird. Die arbeitenden Kinder und Jugendlichen
Afrikas, Asiens und Lateinamerikas sind zu einer sozialen Kraft
geworden, die dazu beitragen kann, eine bessere Welt für
alle Kinder möglich werden zu lassen. |