ProNATs-Presseerklärung vom 9.7.2014: Neues bolivianisches Gesetz schützt arbeitende Kinder vor Ausbeutung und Gewalt

Das Parlament von Bolivien hat am 3. Juli einmütig ein Kinder- und Jugendgesetz beschlossen, das erstmals den Interessen arbeitender Kinder Rechnung trägt. Jugendliche, die in der Union der arbeitenden Kinder und Jugendlichen Boliviens (UNATSBO) organisiert sind, hatten 2013 einen entsprechenden Gesetzesvorschlag entwickelt und vorgelegt. Durch hartnäckiges Verhandeln mit dem Senat erreichten sie einen Kompromiss, bei dem grundlegende Forderungen berücksichtigt werden.

Statt Kindern unter 15 Jahren pauschal die Arbeit zu verbieten und sie in einen Zustand der Recht- und Schutzlosigkeit zu versetzen, regelt das Gesetz die Arbeit dieser Kinder in einer Weise, die ihre Lebensumstände beachtet und ihre Rechte ernstnimmt. Gemäß den Vorschlägen der arbeitenden Kinder und Jugendlichendifferenziert das Gesetz zwischen verschiedenen Formen von Arbeit. Arbeit, die Kinder gemäß bäuerlicher, indigener oder afroamerikanischer Traditionen in der familiären und kommunitären Gemeinschaft ausüben, wird ungeachtet des Alters als legitim anerkannt. Arbeit, die Kinder selbstständig ausüben, wird ab dem Alter von 10 Jahren erlaubt. Arbeit, die in Abhängigkeit von einem Arbeitgeber stattfindet, wird an das Mindestalter von 12 Jahren geknüpft. Gefährliche Arbeiten, die Kindern schaden können, werden in einer Liste aufgeführt, die alle fünf Jahre aktualisiert wird; sie bleiben verboten.

Die neue Regelung trägt zum Schutz der arbeitenden Kinder vor Ausbeutung und Gewalt bei, indem sie ausdrücklich betont, dass jegliche Arbeit auf dem freien Willen der Kinder beruhen sowie unter Bedingungen stattfinden muss, die ihre Menschenwürde, ihre Gesundheit und ihr Recht auf Bildung gewährleisten. Außerdem wird den Kindern garantiert, dass sie bei gleichwertiger Arbeit nicht aufgrund ihres Alters geringer als Erwachsene entlohnt werden dürfen. Die Arbeit der Kinder steht unter der Aufsicht von Kinderschutzkommissionen, bei denen jedes arbeitende Kind registriert werden muss. Der Staat wird verpflichtet, in einem Zensus periodisch zu ermitteln, wie viele Kinder in welchen Bereichen und unter welchen Bedingungen arbeiten.

Leider wird in den meisten bisherigen Kommentaren von Medien und Politiker*innen (außerhalb Boliviens) den wichtigsten Bestimmungen des Gesetzes keinerlei Beachtung geschenkt. Statt sich vorschnell darüber zu erregen, dass das „Verbot der Kinderarbeit“ missachtet werde, sollten sie sich besser informieren und darüber Gedanken machen, was den arbeitenden Kindern nützt und wie ihre Rechte gewahrt werden können. Kein Gesetz kann die Armut, in der viele Kinder weiter zu leben gezwungen sind, aus der Welt schaffen. Aber es kann dazu beitragen, die Kinder besser vor Ausbeutung und Gewalt zu schützen und ihren Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben anzuerkennen. In diesem Sinn und indem erstmals betroffene Kinder bei der Ausarbeitung eines Gesetzes mitwirken konnten, hat das Parlament Boliviens Geschichte geschrieben.

Aktualisiert: 09.07.2014