Problematischer Verlauf des V. Kongresses über die Rechte der Kinder und Jugendlichen in San Juan, Argentinien

Paternalismus wie gehabt: Mit ca. 10.000 Teilnehmer*innen fand vom 15.-19. Oktober 2012 in der argentinischen Stadt San Juan der „V. Weltkongress über die Rechte der Kinder und Jugendlichen“ statt. Eine Gruppe von 35 arbeitenden Kindern und Jugendlichen, die aus der argentinischen Stadt Mendoza zum Kongress angereist war und sich hier mit Repräsentant*innen der chilenischen Schüler*innenbewegung getroffen hatte, richtete einen Offenen Brief an das Organisationskomitee, den wir dokumentieren.

Diese Kongresse, die seit acht Jahren in lateinamerikanischen Ländern und Spanien veranstaltet werden, beanspruchen, die Kinderrechtspraxis aus wissenschaftlicher Sicht zu beleuchten und zu einer stärkeren Beteiligung der Kinder und Jugendlichen beizutragen. Gemessen an diesem Anspruch, ist der Kongress von San Juan leider misslungen. Zwar wurden nahezu 1000 Schüler*innen aus verschiedenen Teilen Argentiniens mit großem materiellen Aufwand zu einer Parallelveranstaltung mobilisiert, doch der Kongress selbst fand ohne ihre Mitwirkung statt. Er war eine Showveranstaltung, die trotz mancher bemerkenswerter wissenschaftlicher Beiträge in erster Linie der Rechtfertigung der argentinischen Regierungspolitik diente.


Offener Brief an den V. Weltkongress für die Rechte der Kinder und Jugendlichen (San Juan, Argentinien, 19. Oktober 2012)

Wir, eine Gruppe arbeitender Kinder und Jugendlicher aus Mendoza-Argentinien, organisiert in “La Veleta y La Atena”, sind in Begleitung von Vertreter*innen der Bewegung arbeitender Kinder und Jugendlicher Lateinamerikas und der Karibik (MOLACNATs), sowie der Schüler*innenbewegung und anderer Kinder- und Jugendorganisationen aus Chile, nach San Juan gereist, um an Ihrem Kongress teilzunehmen.
In Anbetracht des internationalen Rechts der Kinder, “gehört und mit ihrer Meinung berücksichtigt zu werden”, wenden wir uns an Sie, um unsere Empörung darüber auszudrücken, auf welche Art und Weise die Organisator_innen des Kongresses die umfassende und wirksame Beteiligung von Kindern und Jugendlichen missachtet haben.
In diesem Sinne möchten wir folgende Tatsachen und Handlungen von Seiten unserer Bewegung aufzählen, um unsere Stimme gehört zu wissen:    

  1. MOLACNATs, die internationale Organisation der arbeitenden Kinder und Jugendlichen Lateinamerikas und der Karibik, die Bewegungen aus neun Ländern repräsentiert und seit vielen Jahren besteht, wurde in keiner Form offiziell zu der Veranstaltung eingeladen.
  2. Im Bewusstsein, dass die internationalen Organisationen (der Erwachsenen) beharrlich die Stimmen arbeitender Kinder außer acht lassen, die tagtäglich um die Respektierung ihrer Würde kämpfen, sahen wir uns genötigt, uns mit anderen Akteur*innen zusammen zu tun, um wenigstens mit einem Vortrag präsent zu sein. Dieser Vortrag mit dem Titel “Kinder und Jugendliche als revolutionäre Subjekte” wurde nur unter der Voraussetzung akzeptiert, dass ihn ein Erwachsener hält. Unglaublich! Wie sollen wir uns da nicht aufregen!
  3. Da wir von der offiziellen Eröffnungsfeier des Kongresses ausgeschlossen wurden, mussten wir uns schon zu Beginn des Kongresses lautstark vor dem Eingang bemerkbar machen. Wir riefen Parolen und präsentierten uns in T-Shirts, auf denen u.a. zu lesen war: „Niemals mehr ohne uns“, „Kinder + Erwachsene = Partizipation“ und „Unsere Stimme zählt“. Wir finden es merkwürdig, einen Kongress FÜR Kinder aber OHNE Kinder zu veranstalten.
  4. Nach vier Tagen haben wir schließlich durch unsere Beharrlichkeit erreicht, wenigstens an EINER von mehreren hundert Veranstaltungen teilzunehmen, wo unserer Meinung nach die Stimmen und die Ideen der Kinder und Jugendlichen immer präsent sein sollten.

In diesem Sinne bestehen wir darauf, dass der nächste Kongress durch ein paritätisch mit Erwachsenen und Kindern besetztes Organisationsteam vorbereitet wird, um eine horizontale Arbeitsweise zu gewährleisten. Desweiteren erwarten wir von den Regierungen, den akademischen Autoritäten, Theoretiker*innen und Intellektuellen in der ganzen Welt, dass sie die Kinder nicht nur als zu schützende Opfer betrachten, sondern unverzüglich die Kinder und Jugendlichen als Protagonist*innen sozialer Gerechtigkeit anerkennen und unterstützen.

Zum Abschluss versichern wir unsere Verpflichtung gegenüber der Gesamtheit der Kinder, uns weiterhin für die Verwirklichung einer gerechteren Gesellschaft einzusetzen, in der die Kinder und Jugendlichen sich umfassend und wirkungsvoll beteiligen und als Protagonist*innen handeln können.

„Nie Mehr Ohne Uns“
„Kinder + Erwachsene = Partizipation“
„Unsere Stimme zählt“

Es unterzeichnen:

  • Kinder und Jugendliche “La Veleta y La Antena”, Mendoza-Argentinien
  • Repräsentant*innen der Schüler*innenbewegung “Movimiento Estudiantil Secundario”. Santiago-Chile
  • Repräsentant*innen  des “Taller Infantil Corazones Valientes”. Población La Legua. Chile
  • Repräsentant*innen von “MOLACNATs” (Mexiko, Guatemala, Kolumbien, Venezuela, Ecuador, Peru, Paraguay, Bolivien, Argentinien).

Downloads

Die Erklärung der Kinder und Jugendlichen auf Spanisch

Die Erklärung der Kinder und Jugendlichen auf Englisch

Aktualisiert: 13.11.2012