Bolivien gibt wegweisende Gesetzesreform für arbeitende Kinder auf

Seit August 2014 bestand in Bolivien ein Kinder- und Jugendgesetz, das neue Wege im Umgang mit Kinderarbeit versprach. Statt eines generellen Verbotes sollten arbeitende Kinder besser geschützt werden. Ohne öffentliche Diskussion und ohne Beteiligung der arbeitenden Kinder Boliviens wurden jetzt jedoch wesentliche Fortschritte von Präsident Evo Morales Ende Dezember 2018 wieder rückgängig gemacht. Hierzu nehmen EUROPANATs und ProNATs in einer Presseerklärung Stellung.

Presseerklärung

Bolivien gibt wegweisende Gesetzesreform für arbeitende Kinder auf

Seit August 2014 bestand in Bolivien ein Kinder- und Jugendgesetz, das neue Wege im Umgang mit Kinderarbeit versprach. Es beschränkte sich nicht länger auf ein bloßes Verbot, sondern stellte eine Grundlage dar, wie der Schutz arbeitender Kinder verbessert und Kindern, die arbeiten wollen oder aufgrund ihrer sozialen Notlage arbeiten müssen, eine Arbeit in Würde ermöglicht werden kann. Trotz mancher Mängel wurde das Gesetz von arbeitenden Kindern in Bolivien sowie von Organisationen arbeitender Kinder in anderen lateinamerikanischen Ländern begeistert aufgenommen. Es wurde auch von einigen NGOs, die sich mit den Rechten von Kindern befassen, als Pionierwerk begrüßt.

Nun wurde ohne öffentliche Diskussion und ohne die arbeitenden Kinder sowie die Organisationen und lokalen Regierungsstellen, die sich für die Umsetzung des Gesetzes engagierten, zu konsultieren, das Gesetz auf Druck der US-Regierung und nach Vorgaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) durch Parlament und Senat in entscheidender Weise geändert. Präsident Evo Morales unterzeichnete es am 20. Dezember 2018 (Gesetz Nr. 1139).

Mit dem neuen Gesetz wurden alle gesetzlichen Schutzmechanismen für die Arbeit von Kindern unter 14 Jahren ersatzlos gestrichen, was einem allgemeinen Verbot gleichkommt und das bisherige Gesetz radikal verändert. Die Regelungen des Gesetzes und arbeitsrechtlichen Garantien beschränken sich nun vollständig auf Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren. Für die jüngeren Kinder bleibt am Ende des Gesetzes nur die Ankündigung übrig, die Schulpflicht und mittels Kontrollinstanzen das Arbeitsverbot durchzusetzen und sich auf mehr Sensibilität der Behörden für ihren Schutz  zu verlassen. Großsprecherisch wird in den Übergangsbestimmungen des Gesetzes verkündet, binnen drei Jahren seien die Ursachen der Kinderarbeit vollständig beseitigt.

Mit der Änderung des Gesetzes werden ebenso wie die Kinder unter 14 Jahren auch die Mitarbeitenden der kommunalen Kinderrechtsbüros mit den eigentlichen Problemen wieder allein gelassen: der Ausbeutung und Gewalt, der Behinderung der kindlichen Entwicklung sowie der Benachteiligung und Diskriminierung der arbeitenden Kinder.

Die Union der arbeitenden Kinder und Jugendlichen Boliviens UNATSBO brachte die Neuregelung lakonisch auf den Punkt, dass nun auch die Regierung Boliviens entgegen ihrer antiimperialistischen Rhetorik vor dem „Imperium“ eingeknickt sei.

EUROPANATs und ProNATs (Deutschland) erklären sich solidarisch mit der UNATSBO und allen arbeitenden Kindern Boliviens und Lateinamerikas. Wir bringen unseren energischen Protest und unsere Besorgnis zum Ausdruck, weil die Regierung Boliviens mit dem neuen Gesetz die Versprechen der Verfassung des Plurinationalen Staates Bolivien selbst mit Füßen tritt und die arbeitenden Kinder und Jugendlichen, insbesondere die unter 14 Jahren, in einer besorgniserregenden Situation zurücklässt, ohne ihre Rechte und Interessen zu respektieren.

Berlin, Brüssel und Madrid, 22. Januar 2019

Aktualisiert: 22.01.2019