Kundapur 1996
Das erste Welttreffen in Kundapur (Indien), 1996
In Kundapur, Indien, trafen 1996 erstmals die Bewegungen arbeitender Kinder und Jugendlicher aus Lateinamerika, Afrika und Asien zusammen, um sich auszutauschen und gemeinsame Ziele zu formulieren.
Delegierte aus 33 Ländern
Im Jahr 1996 gelangten die Bewegungen arbeitender Kinder und Jugendlicher zu neuer Stärke, indem sie sich zum ersten Mal in ihrer Geschichte zu einem interkontinentalen Treffen zusammenfanden. Diesem vorausgegangen waren zwei Vorbereitungstreffen: der asiatischen Delegation in Bangalore (Indien) und der afrikanischen Delegation in Dakar (Senegal). Kontinentale Zusammenschlüsse bestehen in Lateinamerika seit 1988, in Afrika seit 1994.
34 Delegierte aus 33 verschiedenen Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika nahmen an diesem Treffen, das zwischen dem 29. November und dem 9. Dezember in Kundapur (Indien) stattfand, teil. Sie wurden in ihren Heimatorganisationen demokratisch gewählt und reisten zum Teil ohne erwachsene Begleitung an. Zusammen repräsentierten sie die folgenden Länder:
Lateinamerika: Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay, Peru, Bolivien, Kolumbien, Chile, Ecuador, Venezuela, Guatemala, Nicaragua, Honduras, El Salvador, Mexiko, Belize, Cuba, Panama, Costa Rica.
Afrika: Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Guinea (Bissau), Guinea (Conakry), Mali, Niger, Senegal, Togo.
Asien: Indien, Bangladesh, Nepal, Thailand.
Inhalte der Tagung
Die meisten Delegierten hatten mehrere Tage Reisen hinter sich und nicht wenige hatten Schwierigkeiten mit Visa und Einreisebestimmungen erfahren. So waren die ersten Tage dafür gedacht, sich kennenzulernen, zusammenzufinden und sich an die kulturellen Gegebenheiten zu gewöhnen. Als Vertrauenssymbol pflanzte jede Delegation zu Beginn des Treffens einen Baum, der wachsen und später mal Früchte tragen sollte. Die Kinder teilten sich für die Dauer des Treffens in Komitees auf, die für Logistik, Beobachtung/Dokumentation und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich waren.
Die Diskussionen kreisten zunächst um die Themen:
- Warum arbeiten Kinder?
- Was ist „gute Arbeit“, was ist „schlechte Arbeit“?
- Warum müssen Kinder migrieren?
- Unter welchen Umständen müssen Kinder arbeiten?
Die Delegierten berichteten von den eigenen Erfahrungen aus ihren Heimatländern und Herkunftsorganisationen und waren sehr erstaunt darüber, dass sich ihre Probleme und Lösungsansätze zu einem großen Teil mit denen der Kinder und Jugendlichen aus anderen Teilen der Welt deckten.
Beim Informations- und Erfahrungsaustausch wurde deutlich, dass die Bewegungen der einzelnen Länder in einigen Bereichen bereits Verbesserungen erreicht hatten. Zur Sprache kamen Gesundheit, Bildung, Arbeit, die Situation der Migrant*innen, der Umgang mit Boykottmaßnahmen gegen Exportprodukte, an deren Herstellung Kinder beteiligt waren, und schließlich die Entwicklung der eigenen Organisationen. Breiten Raum nahmen Debatten über die Unterscheidung von Child Labour und Child Work sowie die eigenen Vorstellungen von „würdiger Arbeit“ ein.
Die ILO-Konvention und Strategien für Beteiligung
Die als Beobachter*innen anwesenden Vertreter*innen mehrerer international tätiger NGOs (Redd Barna, Rädda Barnen, terre des hommes, Save the Children, Caritas und Hivos), sowie von UNICEF und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) bzw. des ILO-Programms zur Abschaffung der Kinderarbeit (IPEC) wurden gebeten, von ihrer Arbeit zu berichten. Dabei entstand die Gelegenheit, intensiv über Politik, Programme und Maßnahmen „gegen Kinderarbeit“ zu diskutieren. Besonderen Raum nahm die Debatte über die ILO-Konvention 138 (Festlegung des Mindestalters) und die geplante ILO-Konvention über die besonders dringlich zu bekämpfenden Formen der Kinderarbeit ein. Gemeinsam wurden Strategien für eine Beteiligung an internationalen Konferenzen zu Kinderrechten und Kinderarbeit entwickelt.
Forderungen und gemeinsame Ziele
Alle Beteiligten einte die Überzeugung, dass nur die Organisation arbeitender Kinder zu einer Lösung ihrer Probleme beitragen kann. Es bestand Übereinstimmung, dass die Kinderrechte dabei eine wichtige Rolle spielen sollen, auch wenn sie in den einzelnen Bewegungen verschieden verstanden und interpretiert werden.
Aufgrund ihrer Erfahrungen kamen die Delegierten zu dem Schluss, dass die bisherigen Boykottmaßnahmen gegen die Produkte ihrer Arbeit ihnen eher geschadet als genützt hätten. So bemerkte beispielsweise Aimé aus Afrika: „Falls es Menschen gibt, die sich organisieren, um sich für einen Boykott auszusprechen, dann sollten wir uns organisieren, um uns gegen einen Boykott auszusprechen.“ Stattdessen forderten die Delegierten bessere Arbeitsbedingungen, eine bessere Bezahlung, angemessene Arbeitszeiten, Bildungsmöglichkeiten, die Abschaffung von Kindesmissbrauch, eine soziale Absicherung sowie Entwicklungsmöglichkeiten in ihrer Arbeit.
Da das Treffen großes Interesse bei Journalist*innen ausgelöst hatte, veröffentlichten die Delegierten schon nach wenigen Tagen eine Presseerklärung. Am Ende des Welttreffens fassten sie ihre Ideen und Forderungen in einem kurzen, aber aussagekräftigen Kommuniqué zusammen, das weltweit Verbreitung fand: Die „Zehn Punkte von Kundapur“.
Organisation des Treffens
Die Organisation des ersten Welttreffens lag in den Händen der südindischen Kinderorganisation BHIMA SANGHA und der sie unterstützenden Organisation Concerned for Working Children (CWC). Mitorganisiert wurde das Treffen von der International Working Group on Child Labour (IWGCL), der African Movement of Working Children and Youth (AMWCY), ihrer Unterstützerorganisation ENDA, der peruanischen Kinderorganisation MANTHOC und der brasilianischen Bewegung der Straßenkinder (MNMMR).
Weiterführende Seiten
Abschlusserklärung von Kundapur („10 Punkte von Kundapur“)
Aktualisiert: 14.12.2020